Germans in Texas
Allgemeiner Überblick
Einwanderungswelle
Wenngleich einzelne deutschstämmige Einwanderer schon in der Zeit, als die Mexikaner und Spanier die Kontrolle über das Gebiet hatten, eingewandert sind, so werden allgemein die frühen 1830er Jahre als der Beginn einer starken deutschen Einwanderungswelle benannt.
German Belt
Ein interessantes Phänomen in Texas ist der sogenannte German Belt. Deutsche hatten bei ihrer Immigration in die neue Welt ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, siedelten häufig in ‚geschlossenen Gruppen‘ und blieben weitestgehend unter sich. Wurden die Siedlungen zu gross oder unattraktiv oder kamen ganze „Dörfer“ geschlossen in die Neue Welt, so zog man weiter und siedelte an neuer Stelle.
Es entstand eine Art Gürtel, eben der German Belt. Dieser begann bei Galveston und Houston im Südosten und zog sich über Zentral-Texas gen Westen nach Kerrville, Mason und Hondo – allgemein gesprochen das Gebiet von der Küste, den Coastal Plain nach Hill Country.
Letzteres oder ein Teil davon wird noch heute als ‚German Hill Country‘ bezeichnet.
Betrachtet man diese Orte, so stellt man fest, dass sich der Belt über eine riesige Distanz zieht und sicherlich nicht als eng geschlossen bezeichnet werden kann, aber in Texas ist eben alles etwas grösser…
Auslöser
Nun kann man sich fragen, was diese Immigrationswelle auslöste, schliesslich war hier kein Goldrausch und es handelte sich nicht um den Goldenen Westen. Migrations-Wissenschaftlern ist dies kein unbekanntes Phänomen: Es wird als ‚Konzept starker Persönlichkeiten‘, ‚Ketten-Migration‘ oder ‚Amerika-Briefe‘ bezeichnet. Ausgelöst durch eine Persönlichkeit, die eine besonders ausgeprägte Führungsnatur und Motivationskraft hat, um andere zu beeinflussen und mit sich zu reissen. Im Falle von Texas handelt es sich um Friedrich Diercks, einem Gärtner aus Nordwestdeutschland, dem Gebiet um Oldenburg. Diercks, der sich allerdings einen anderen Namen zulegte, nämlich Johann Friedrich Ernst, wurde zur zentralen Figur der Einwanderungswelle. Seine in die Heimat versandten ‚Amerika-Briefe‘ sprühten von Begeisterung und die Idee des Aufbruchs, des Neuanfangs mit fantastischen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, setze sich in den Köpfen der bis dato ‚Daheimgebliebenen‘ fest.
Zigtausende folgtem seinem Ruf.
Ernst selbst hatte bei seiner Einwanderung Missouri als Ziel. In New Orleans hörte er jedoch davon, dass westlich in der Kolonie, die von einem Stephen F. Austin gegründet worden war, Land vergeben wurde. Ernst bewarb sich und bekam 1831 ein 1.600ha grosses Stück Land zugeteilt. Er siedelte und von hier aus motivierte er durch seine Briefe die dann folgenden Aussiedler. Das Gebiet, heute Austin County, wurde zum Startpunkt des German Belt.
Die ersten Siedler blieben in seiner Nähe und liessen sich in Orten wie Industry, Cat Spring und Rockhouse nieder.
Ernst’s Briefe wurden in Norddeutschland in Zeitungen abgedruckt und initierten somit vorwiegend einen Einwandererstrom aus Oldenburg, Holstein und Westfalen.
Der deutschen Mentalität und Gewohnheit entsprechend in kleinen begrenzten Gemeinden auf engem Raum zu leben wurde
interessanterweise auch auf das neue Land übertragen – man konnte fast beobachten, wie ganze Gemeinden einfach ein paar tausend Kilomenter von Europa nach Amerika versetzt wurden. Frühere Nachbarn waren oft auch wieder in Texas Nachbarn. Aber dieses Verhalten war auch die notwendige Grundlage, um Sprache, Gebräuche und Traditionen aufrechtzuerhalten.
Adlige und die Aussicht auf Macht
Der Zustrom deutscher Einwanderer, die von Ernst’s euphorischen und stets nur positiven Briefen bezüglich Texas‘ mitgerissen wurden, hielt das Jahrzehnt über an.
Lange genug, um bei einer kleiner Gruppe -bis dato unbedeutender- Adliger in Deuschland die Idee aufkeimen zu lassen, sich in einem neuen Land mit Einfluss, Macht, Ansehen und natürlich Wohlstand zu versehen.
Ihre Idee war, in der nun unabhängigen Republik Texas, unter Umständen auch politischen Einfluss gewinnen zu können.
Gesagt – getan, das ‚Texas Projekt‘ wurde ins Leben gerufen und ein Verein wurde gegründet: der Adelsverein – Verein zum Schutze Deutscher Einwanderer in Texas.
Tausende von Bauen wurden überzeugt, nach Texas zu kommen und den wirtschaftlichen Erfolg zu spüren. Ganze Dörfer in Deutschland wurden dadurch stark in ihrer Bevölkerung reduziert – manche sind komplett ‚ausgewandert‘.
Zwischen 1844 und 1847 kamen so ca. 7.000 Bauern und auch Handeltreibende nach Texas.
Viele der Einwanderer blieben einfach in Galveston, Houston und San Antonio hängen; einige erlebten die Neue Welt nur kurz, da die ersten Epidemien bereits eingeschleppt waren.
Wenngleich das Projekt den Verein finanziell ruinierte statt zu sanieren, bemühte man sich vom Verein aus, immer mehr eigenständige Gemeinden zu etablieren.
John O. Meusebach war einer der Adligen, der stark an der Auswanderungs-Motivation von Deutschen arbeitete und zugleich einer der Köpfe des Adligenvereins. Man spricht davon, dass er an die 35 Gemeinden zur Auswanderung bewegen konnte.
Die bekanntesten Orte, die von ihm und dem Verein gegründet wurden, waren New Braunfels und Fredericksburg, die heute noch eine deutliche deutschstämmige Bevölkerung aufweisen und in denen deutsche Traditionen hochgehalten werden.
Ein anderer massgeblicher Kopf war Henri Castro, der aus seinem Heimatgebiet, dem Elsass, mehr als 2.000 deutschsprachige Siedler zum Umzug animierte und den Ort Castroville gründete, dem Zentrum der Elsass-Deutschen.
Bis 1850 hatte der German Belt bereits seine Gestalt angenommen; man versuchte zwar weiterhin durch Briefe neue Auswanderungswillige zu finden, allerdings wurde es schwieriger, denn der Bürgerkrieg, der zwar erst etliche Jahre später beginnen sollte, zeichnete sich bereits ab und sorgte dann erst einmal für einen Stop der Einwanderungswelle.
Nach dem Bürgerkrieg
Nach dem Krieg ging es 1865 dann aber im noch stärkeren Masse weiter und bis 1890 blickte man auf ca. 40.000 weitere Einwanderer, die sich über Texas verteilten und eigene Besiedlungsprojekte starteten. Einige gingen schief, andere waren erfolgreich.
San Antonio, Galveston und Houston gehörten dennoch immer wieder aufgrund ihrer Wirtschaftskraft zu bevorzugten Siedlungsgebieten.
Ende der 1880er waren in San Antonio ein Drittel der Bevölkerung Deutsche. Der heutige ‚King William Historic District‘, der auf der King William Street basiert, einst eine der einflussreichsten und wohlhabendsten Nachbarschaften in San Antonio, gibt noch heute einen Eindruck der damaligen Zeit.
Organisierte Auswanderung: Das Texasprojekt des ‚Mainzer Adelsvereins'
Die meisten Deutschen zogen im 19. Jahrhundert im Familienverband oder allein nach Amerika. Dennoch kam es mitunter zur Bildung religiöser oder weltlicher Auswanderungsvereinigungen, die Siedlungsprojekte in den USA verfolgten. Für das Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz ist hier vor allem der Mainzer Adelsverein zu nennen, dessen dilettantische Tätigkeit zur „größten Katastrophe in der Geschichte der deutschen Auswanderung“[Anm. 1] führte.
Auf Initiative einer in Mainz stationierter Gruppe adeliger Offiziere wurde 1842 in Biebrich bei Wiesbaden der „Verein zum Schutze deutscher Einwanderer in Texas“ gegründet.[Anm. 2] Ziel war es, die Not der Untertanen durch ihre Ansiedlung in Texas, damals eine unabhängige Republik, zu lindern. Zugleich sollte die zu gründende Kolonie neue Absatzmärkte für die deutsche Wirtschaft eröffnen. Im Mai 1844 schickte der ‚Mainzer Adelsverein' (so die landläufige Bezeichnung), der zwischenzeitlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war, Carl Prinz zu Solms-Braunfels als ersten Generalkommissar nach Texas. Im Herbst folgten die ersten Auswanderergruppen. Doch erst im März 1845 gelang es Solms-Braunfels, nahe dem Guadalupe River ein Stück Land für die ersten Siedler zu kaufen. Er nannte die neue Siedlung Neu-Braunfels nach dem oberhessischen Sitz seiner Familie. Aufgrund logistischer Probleme und des ungeschickten Wirtschaftens des Prinzen drohte das Projekt zu scheitern. Das Eintreffen weiterer Auswanderer, die kaum versorgt werden konnten, führte zu noch größeren Problemen. Solms-Braunfels' Nachfolger, der preußische Verwaltungsjurist Otfried Hans Freiherr von Meusebach, vermochte jedoch eine Katastrophe abzuwenden. Der Traum von einer deutschen Kolonie platzte endgültig 1845, als Texas in die USA aufgenommen wurde.
Durch die Vermittlung des Vereins kamen bis 1847 knapp 7400 Deutsche nach Texas, die anfangs erbärmlichste Zustände ertragen mussten. Unzählige fielen Seuchen zum Opfer oder verhungerten. Allmählich gelang es Meusebach, die Verhältnisse zu stabilisieren. Er gründete 1847 den Ort Friederichsburg (Fredericksburg) und handelte einen Friedensvertrag mit dem Stamm der einheimischen Comanchen-Indianern aus. Dennoch gelang es dem Verein aus Geldmangel nicht, jeder Familie 130 Hektar Land zur Verfügung zu stellen, wie vor der Auswanderung versprochen. Als diese Missstände in Deutschland bekannt wurden, erklärte der ‚Adelsverein' alsbald seine Zahlungsunfähigkeit und löste sich 1848 auf.
Trotz des Fiaskos entstanden rund um New Braunfels und Fredericksburg allmählich blühende Siedlungen, die durch Zuzüge verstärkt wurden. Viele der Siedler stammten aus dem Westerwald, insbesondere aus dem Raum Montabaur. Noch um 1900 gab es rund 100.000 deutschsprachige Texaner, vor allem im zentraltexanischen Siedlungsgürtel (German Belt) zwischen Austin und San Antonio.
Verfasser: Helmut Schmahl
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper
Anmerkungen:
1. Helbich/Kamphoefner/Sommer, Briefe aus Amerika, S. 15. Zurück
2. Die nachstehende Darstellung folgt im wesentlichen Harald Winkel: Der Texasverein – ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Auswanderung im 19. Jahrhundert. In: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 3 (1969), S. 348-372. Zurück
Landwirtschaft der Deutschamerikaner
Jeder vierte erwerbstätige deutscher Einwanderer war im 19. Jahrhundert in der Landwirtschaft beschäftigt.[Anm. 1] Wie zur Kolonialzeit galten sie auch im Mittleren Westen als besonders gründliche Landwirte. Viele Immigranten in neu besiedelten Gebieten erwarben ihr Gebiet vom amerikanischen Kongress zum günstigen Preis von 1,25 Dollar pro acre (1 acre = 0,40 ha).[Anm. 2] 1862 wurde der Homestead Act (Heimstättengesetz) erlassen, der den Siedlern gegen eine geringe Gebühr 16 acres Regierungsland vermachte, falls sie sich dazu verpflichteten, es fünf Jahre lang zu bewirtschaften und zu bewohnen.[Anm. 3] Die Bodenpreise waren für deutsche Verhältnisse sehr günstig, allerdings waren beträchtliche Mittel für die Anschaffung von Arbeitsgeräten u. ä. notwendig.
Der Alltag auf einer nordamerikanischen Farm, insbesondere an der Siedlungsgrenze, unterschied sich grundlegend von dem in einem jahrhundertealten deutschen Dorf. Hilfskräfte waren oft rar und teuer, der Kontakt zu den oft Meilen entfernt wohnenden Nachbarn schwierig. Überdies waren zahlreiche handwerkliche Kenntnisse notwendig, über die ein Bauer in Deutschland oft nicht verfügte.
Bei der Fruchtfolge und beim Düngen konnten sich Farmer auf ihre Erfahrung aus Europa verlassen, ansonsten musste alles neu geschaffen werden und Produkte angepflanzt werden, deren Absatz gesichert war. Dies wird beim Getreideanbau deutlich, wie die landwirtschaftlichen Erhebungen von Washington County/Wisconsin – einer unter Immigranten aus allen Teilen des heutigen Rheinland-Pfalz populären Ansiedlungsregion – für die Jahre 1850 und 1860 deutlich zeigen.[Anm. 4] In der ersten Zeit nach der Ansiedlung übernahmen deutsche Einwanderer so viel wie nötig an amerikanischen Produktionsmethoden und bemühten sich gleichzeitig, ihre traditionelle Anbauweise so weit wie möglich beizubehalten. Der Weizenanbau war bei ihnen ebenso vorherrschend wie bei ihren angloamerikanischen oder irischen Nachbarn. Trotz der wesentlich schlechteren Vermarktungsmöglichkeiten von Roggen bestellten deutsche Farmer im Gegensatz zu anderen Siedlern beträchtliche Flächen mit ihrem traditionellen Brotgetreide. Mais und Ahornsirup waren unbekannte Produkte für die Immigranten, sie begannen jedoch gleich nach der Ankunft mit deren Erzeugung, wenn auch in wesentlich bescheidenerem Ausmaß als Angloamerikaner.
Mit der Zeit näherten sich die Produktionsgewohnheiten der Gruppen immer weiter an. Als die Bedeutung des Weizens aus Wisconsin auf den Märkten nachließ, erfolgte der Übergang zur Milchwirtschaft. Dieser Schritt wurde zunächst von Angloamerikanern vollzogen, bis zur Mitte der 1880er Jahre zogen auch die Deutschen des Staates nach.
Verfasser: Helmut Schmahl
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper
Anmerkungen:
1. Vgl. Christiane Harzig: Lebensformen im Einwanderungsprozeß. In: Bade: Fremde, S. 161. Zurück
2. Vgl. Schmahl, Verpflanzt, S. 143. Zurück
3. Vgl. Harzig, Lebensformen, S. 163. Zurück
Ausführlich zur Landwirtschaft von Washington County: Schmahl, Verpflanzt, S. 222-244. Zurück
Handwerk, Bierbrauerei und Weinbau
Handwerker bildeten im 19. Jahrhundert das größte Kontingent erwerbstätiger deutscher Einwanderer. Bei der Volkszählung von 1870 stellten sie 37% der berufstätigen Deutsch-Amerikaner. Weitere 27% waren in der Landwirtschaft beschäftigt, 23% waren Arbeiter und 13% übten Handelsberufe aus.[Anm. 1]
Deutsche Handwerker und gelernte Arbeiter genossen in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert – und weit darüber hinaus – einen ausgezeichneten Ruf. Besonders häufig waren sie im Nahrungssektor als Bäcker, Metzger und Brauer anzutreffen, daneben galten Schreiner, Zigarrenmacher und Schneider als ebenfalls typisch deutsche Handwerke. Weitere deutsche Domänen waren die Berufe des Hoteliers, Saloonbesitzers, Friseurs, Malers und Musikers. Unterrepräsentiert waren Deutschamerikaner bei Tätigkeiten, die ausgezeichnete englische Sprachkenntnisse und mitunter eine akademische Ausbildung erforderten, wie Doktor, Rechtsanwalt, Lehrer oder Büroangestellter. Weibliche Berufstätige waren primär als Wäscherinnen, Schneiderinnen sowie im Gaststättensektor tätig.
Viele Einwanderer lebten in geordneten finanziellen Verhältnissen, „Bilderbuchkarrieren“ wie in den Fällen des Holzbarons Frederick Weyerhaeuser aus Nieder-Saulheim/Rheinhessen oder des in Speyer geborenen Eisenbahnmagnaten Henry Villard (ursprünglich Ferdinand Heinrich Hilgard) blieben rare Ausnahmen. [Eine weitere Ausnahme stellt der aus Ober-Flörsheim stammende Emaillierhandwerker und spätere Industrielle Sebastian Walter dar.] Viele Deutschamerikaner bevorzugten konservative und bewährte Geschäftsstrategien und waren weniger risikobereit und innovativ als Angloamerikaner, die das Gros der Millionäre stellten. Ihren Gewinn investierten viele Deutsche lieber in Grundbesitz als für spekulative Unternehmungen. Aufstiegschancen boten sich Deutschen vor allem in Bereichen, in denen sie traditionell über das beste ‚Know-How' verfügten, wie etwa beim Klavierbau, oder für die es einen großen deutschamerikanischen Absatzmarkt gab, wie die Bierproduktion.
Die Bierbrauerei war zweifelsohne der wichtigste Beitrag, den rheinland-pfälzische Einwanderer im 19. Jahrhundert für das Wirtschaftsleben der Vereinigten Staaten geleistet haben.[Anm. 2] Die drei größten Brauereien der USA um die Wende zum 20. Jahrhundert wurden von Männern aus unserem heutigen Bundesland geleitet: die Anheuser-Busch Brewery in St. Louis, die Pabst Brewery und die Schlitz Brewery, beide in Milwaukee.
Die noch heute bestehende Anheuser-Busch Brewery in St. Louis wurde 1870 von Braumeister Eduard Anheuser (aus Kreuznach) und seinem Schwiegersohn Adolphus Busch (aus Mainz-Kastel) gegründet. Bereits ein Vierteljahrhundert zuvor, 1844, rief der aus dem rheinhessischen Mettenheim stammende Philipp Best in Milwaukee eine Brauerei ins Leben, die sich unter seinem Schwiegersohn Frederick Pabst zu einem landesweiten Konzern entwickelte. 1858 übernahm der Mainzer Joseph Schlitz ebenfalls in Milwaukee einen Brauerbetrieb, der zum Zeitpunkt seines Todes (1875) jährlich 70.000 Barrels (8,4 Millionen Liter) Bier produzierte. Es ist kein Zufall, dass diese und andere Brauer aus den Weinbauregionen des südlichen Rheinland-Pfalz stammten. Einige von ihnen hatten vor ihrer Auswanderung das Küferhandwerk erlernt und waren daher mit der Wein- und Bierproduktion gleichermaßen vertraut.
Auch im Weinbau und –handel Nordamerikas spielten Immigranten aus unserem Bundesland eine wichtige Rolle.[Anm. 3] So reisten die in Milwaukee ansässigen Weinimporteure John P. Kissinger (aus Selzen) und Adam Orth (aus Eich) regelmäßig zum Weinkauf in ihre alte Heimat am Rhein. So importierte allein Orth zwischen 1857 und 1867 104.000 Gallonen (knapp 400.000 Liter) rheinhessischer Weine. Von den zahlreichen deutschamerikanischen Winzerbetrieben, die im 19. Jahrhundert in klimatisch begünstigten Regionen der USA entstanden, sei stellvertretend das 1876 gegründete Weingut der aus Mainz stammenden Brüder Jacob und Frederick Beringer im kalifornischen Napa Valley genannt. Es ist das älteste bis heute bestehende Unternehmen in dieser renommierten Weinbauregion.
Verfasser: Helmut Schmahl
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper
Anmerkungen:
1. Vgl. Conzen, Germans, S. 413 (dort auch die nachstehenden Angaben zum Handwerk).. Zurück
2. Zur Bierbrauerei vgl.. Schmahl, Verpflanzt, S. 245-253. Zurück
Vgl. Schmahl, Verpflanzt, S. 254-255. Zurück
Presse und Literatur
Die Zeitung war in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert bereits ein Massenmedium. 1847 schrieb ein rheinhessischer Auswanderer seinen Verwandten, man treffe in der Umgebung von Milwaukee kaum einen Farmer, der nicht wenigstens eine deutschsprachige Wochenzeitung abonniert habe.[Anm. 1]
Die deutschsprachige Presse hatte zwei entgegen gesetzte Wirkungen.[Anm. 2] Zum einen verzögerte sie das Erlernen der englischen Sprache, da man den Inhalt in der vertrauten Muttersprache lesen konnte. Auf der anderen Seite hatten deutsche Zeitungen in den Vereinigten Staaten die gleiche Aufmachung wie englischsprachige Blätter und standen meist im Dienst einer politischen Partei. Sie dienten der Instrumentalisierung der Deutschen für einen politischen Zweck und noch wichtiger: Sie machten die Adoptivbürger mit Regierungsform, Lebenssitten und Kultur der Amerikaner vertraut. So erfreute der „Sheboygan National Demokrat“ im September 1861, kurz nach Ausbruch des Bürgerkrieges, seine pfälzischen, hunsrückischen und rheinhessischen Leser mit einer pennsylvanischdeutschen Nachdichtung des patriotischen Liedes „Yankee Doodle“.[Anm. 3] Auch andere deutschsprachige Zeitungen brachten Glossen im pfälzischen Dialekt.
Aufgrund der Initiative des aus Edenkoben stammenden New Yorker Verlegers Conrad Voelcker entstanden in den 1880er Jahren eigene Zeitungen für pfälzische und hessische Einwanderer, die bis 1917 ausführlich über das Tagesgeschehen in der alten Heimat, z.B. Unglücke, Todesfälle und den Stand der Weinernte informierten. „Der Pfälzer in Amerika“ erschien seit 1884, drei Jahre später wurden die „Hessischen Blätter“ ins Leben gerufen (seit 1897 mit der „Hessen-Darmstädter Zeitung“ vereint).[Anm. 4]
Im späten 19. Jahrhundert gab es selbst in kleinen Siedlungen deutsche Wochenblätter Es ist dennoch verfehlt, von einer damaligen Blüte des deutschen Pressewesens zu sprechen.[Anm. 5] Bereits seit zwei Jahrzehnten kamen nur noch wenige deutsche Einwanderer ins Land, und immer mehr jüngere Leser, die Deutschland allenfalls aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern kannten und mit der Sprache nicht mehr recht vertraut waren, bevorzugten englische Zeitungen. Deutlich wird dies aus einer deutschsprachigen Anzeige des „Milwaukee Sentinel“ 1903. Dort hieß es in holprigen Reimen: „Stirbt ein alter deutscher Buerger, der recht lang gewohnt hier hat, widmet ihm ‚nen langen schoenen Nekrolog das deutsche Blatt. Tags d'rauf danken dem die Kinder, fuer den ‚Puff', den man ihm gab, wischen sich geruehrt die Augen, und – bestell'n die Zeitung ab. Und wird die Sache um so boeser, je staerker Kinder sich vermehren. Auf diese Weise, lieber Leser, da kommen naemlich wir zu Ehren.“[Anm. 6]
Außer dem Zeitungswesen entwickelte sich im 19. Jahrhundert auch – trotz einer großen Zahl von Buchimporten aus Deutschland - ein recht bedeutendes deutschsprachiges Buchverlagswesen. Der wichtigste deutschsprachige Verlag der Vereinigten Staaten war die 1862 gegründete George Brumder Publishing Company in Milwaukee.[Anm. 7] Als Buchhändler und Zeitungsherausgeber war der aus dem Elsass gebürtige Brumder gut mit den Lesegewohnheiten der Deutschamerikaner vertraut. Er publizierte zahlreiche Werke, die speziell für Deutschamerikaner verfasst wurden und weite Lebensbereiche abdeckten. So druckte er neben religiöser Literatur, Kinderbüchern und Romanen Sachbücher wie „Der deutsche Farmer im Busch und auf der Prairie“, „Hausthierarzt für den amerikanischen Farmer und Viehzüchter“, „Der amerikanische Geflügelzüchter“, „Amerikanisches Gartenbuch“, „Praktisches Kochbuch für die Deutschen in Amerika“, „Der unentbehrliche praktische Rathgeber“, „Unser Familien-Arzt“, „Erlebnisse aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870-71“ oder „Vierhundert Jahre amerikanischer Geschichte“. Viele der Bücher aus dem Verlag Brumders und anderer Pressen erlangten landesweite Verbreitung als Prämien für Zeitungsleser, die ihr Abonnement im Voraus bezahlten.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich allmählich eine deutschamerikanische Literaturszene, die bislang nur in Ansätzen erforscht ist.[Anm. 8] Von den zahlreichen Schriftstellern und Dichtern erreichten nur wenige überregionale Bedeutung, wie der in Landau gebürtige Konrad Krez (1828-1897) oder der Lyriker Konrad Nies aus Alzey (1861-1921). Eine 1892 erschienene umfangreiche Anthologie deutschamerikanischer Lyriker führt außer den genannten folgende Dichter auf, die im heutigen Rheinland-Pfalz geboren wurden: Ludwig August Wollenweber (geb. 1807 Ixheim bei Zweibrücken), Emil Dietzsch (geb. 1829 Trippstadt bei Kaiserslautern), Henricus vom See (geb. 1837 Nierstein), August Steinlein (geb. 1823 Trier), Julius Loeb (geb. 1822 Edenkoben), Friedrich Grill (geb. 1838 Kusel), Jakob Heintz (geb. 1833 Alzey), Max Eberhardt (geb. 1843 Germersheim), Wilhelm Keilmann (geb. 1845 Hechtsheim bei Mainz).[Anm. 9]
Verfasser: Helmut Schmahl
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper
Anmerkungen:
1. Vgl. Schmahl, Verpflanzt, S. 274. Zurück
2. Vgl. Susan J. Kuyper: The Americanization of German Immigrants: Language, Religion, and Schools in Nineteenth Century Rural Wisconsin. Diss. (masch.) University of Wisconsin 1980, S. 31. Zurück
3. Vgl. Schmahl, Verpflanzt, S. 276. Zurück
4. Vgl. Roland Paul: Die Zeitungen „Der Pfälzer in Amerika“ und die „Hessischen Blätter“ und ihr Ende im Ersten Weltkrieg. in: Pfälzer in Amerika. Kaiserslautern 1995, S. 126-139. Zurück
5. Vgl. Helbich/Kamphoefner/Sommer, Briefe aus Amerika, S. 27-28. Zurück
6. Wilhelm Hense-Jensen: Mufti-Almanach. Ein Lebenszeichen der Deutsch-Amerikaner Milwaukee's. Milwaukee 1903, unpaginierter Anhang. Zurück
7. Zu Brumder vgl.Carl Heinz Knoche: The German Immigrant Press in Milwaukee. New York 1980, S. 140. Zurück
8. Zur pennsylvanischdeutschen Dichtung siehe den Beitrag von Michael Werner in diesem Band. Zurück
Vgl. die Kurzbiographien und abgedruckten Gedichte bei: Gustav Adolf Zimmermann: Deutsch in Amerika. Beiträge zur Deutsch-amerikanischen Literatur. Hrsg. vom Germania Männerchor in Chicago. Bd. 1. 2. Auflage, Chicago 1894. Zurück
Vereinswesen
Ebenso wie in Deutschland schlossen sich viele Immigranten in den USA zu Vereinen zusammen. Man pflegte die Geselligkeit unter Landsleuten und ging gemeinsamen Neigungen nach. Hauptsächlich handelte es sich hierbei um Turn-, Gesang- und Unterstützungsvereine.[Anm. 1] In den deutschen Stadtvierteln von New York, Milwaukee, Cincinnati, St. Louis entstanden weiterhin Vereinigungen, die sich dem Theater-, Musik- und Bildungswesen widmeten. Initiatoren waren oft Intellektuelle, die Deutschland nach dem Scheitern der Revolution von 1848 verlassen hatten.
Besonders landsmannschaftliche Vereine boten Neuankömmlingen gute Möglichkeiten zur Integration. Das Spektrum reichte vom Rheinpfälzer Volksfestverein New York über den Mainzer Carnevalsverein von New York, den Rheinpfälzischen Unterstützungsverein Cincinnati bis hin zum Pfälzer Bund von St. Louis.[Anm. 2] Die von ihnen veranstalteten bierseligen Feste wie der Dürkheimer Wurstmarkt oder die Edesheimer Kerwe in Milwaukee erfreuten sich großer Beliebtheit.[Anm. 3]
Vereine und Feste trugen maßgeblich zur Entstehung eines deutschamerikanischen Bewusstseins bei. So stellte Franz Löher 1847 in Hinblick auf Cincinnati, wo Pfälzer eine Hauptgruppe der deutschen Bevölkerung darstellten, fest: „Allen Deutschen, nicht nur in Ohio, sondern im ganzen Staatenbunde, leuchten ihre Landsleute zu Cincinnati vor, bei diesen ist das deutsche Leben am regsten und am fröhlichsten. Da sie ihre weitgedehnten Stadttheile für sich bilden, so fühlen sie kein Bedürfniß und keine Eitelkeit, mit den Englischen anders als in Geschäften und Stadtangelegenheiten zu verkehren.“[Anm. 4]
Verfasser: Helmut Schmahl
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper
Anmerkungen:
1. Vgl. Harzig, Lebensformen, S. 168-169. Zurück
2. Vgl. Paul, Auswanderungen, S. 80. Zurück
3. Vgl. Schmahl, Verpflanzt, S. 284. Zurück
Franz Löher: Geschichte und Zustände der Deutschen in Amerika. Cincinnati 1847, S. 330. Zurück
Nativismus und Politik
Die starke Präsenz deutscher Einwanderer wurde von vielen alteingesessenen Angloamerikanern mit immer größerer Sorge gesehen.[Anm. 1] Die Nachfahren der Puritaner gehörten verschiedenen protestantischen Kirchen an und legten großen Wert auf strenge Sonntagsheiligung. Viele von ihnen waren Anhänger der Abstinenzbewegung und forderten das Verbot des Verkaufs alkoholischer Getränke. Ihre Lebens- und Denkweise unterschied sich in vieler Hinsicht von ihren deutschen Nachbarn, daher musste es zu zahlreichen Vorurteilen auf beiden Seiten kommen. Deutsche wurden von den Yankees als sparsam und fleißig eingestuft. Als Handwerker und Farmer waren sie geschätzt. Mit Missfallen wurde jedoch zur Kenntnis genommen, dass viele Deutsche den Sonntag eher zur Erholung als zur Erbauung nutzten und sie in ihren zahlreichen Gaststätten dem Alkohol in geselliger Runde zusprachen.
Die Charaktereigenschaften des Yankees aus deutscher Sicht lassen sich am besten mit dem Wort smart umschreiben. Dieses Adjektiv hat zahlreiche Bedeutungen, die sich die Angloamerikaner zum Teil selbst zuschrieben wie intelligent, geschickt, flink und schlagfertig. Deutsche dachte jedoch eher an negative Konnotationen des Wortes, wie geschäftstüchtig und gerissen. Viele deutsche Einwanderer hatten eine weit höhere Achtung für das amerikanische Regierungssystem als für die Amerikaner selbst. Mitunter behaupteten sie, die Ideale des Landes besser zu verstehen als die Einheimischen selbst, die durch Zufall in dem Land geboren worden waren. Der Nationalfeiertag diente manchen Immigranten dazu, ihren Patriotismus für die Wahlheimat mitunter provokativ unter Beweis zu stellen.
Die von der angloamerikanischen Bevölkerung abweichenden Lebensformen deutscher und irischer Einwanderer, Konkurrenzneid auf dem Arbeitsmarkt und vor allem ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche (rund 1/3 der Deutschen in den USA waren katholisch) führten unter Teilen der einheimischen Bevölkerung zu Überfremdungsängsten und zur Forderung nach Beschränkung der Einwanderung. Ihren Höhepunkt erreichte die fremdenfeindliche Stimmung Anfang der 1850er Jahre, als die American Party (Know-Nothing-Party) mit dem Motto „Wessen Land ist dies eigentlich?“ („Whose country is that anyway?“) beachtliche Wahlerfolge verbuchen konnte. In vielen Städten mit starker deutscher oder irischer Präsenz kam es zu Auseinandersetzungen, beispielsweise bei den „Bierkrawallen“ (beer riots) in Chicago 1855, wo es zu Tumulten zwischen amerikanischen Polizisten und deutschen Immigranten kam, die eine Beschneidung ihres Rechtes auf Bierkonsum fürchteten.[Anm. 2] Mitunter kam es sogar zu Fällen von Lynchjustiz, wie in West Bend/Wisconsin, wo im gleichen Jahr mehrere Deutsche Lynchjustiz an einem nativistischen Angloamerikaner verübten, der wiederum einen Deutschen getötet hatte.[Anm. 3]
Der politische Einfluss der Know-Nothings war nur von kurzer Dauer, dennoch blieben zahlreiche Vorurteile gegen deutsche Immigranten bestehen. Viele Deutsche zeigten Jahrzehnte nach ihrer Einwanderung wenig Neigung, die englische Sprache zu lernen und ihren von vielen Angloamerikanern als anstößig empfundenen Lebensstil zu ändern. Ethnisch geprägte Viertel, wie „Little Germany“ in New York oder „Over the Rhine“ in Cincinnati, deutsche Schulen, Zeitungen und Kirchengemeinden erleichterten den Immigranten zwar die Integration, zugleich wurden sie jedoch als „Zeichen mangelnder Anpassungsbereitschaft und als Rückzug in eine vermeintlich homogene ethnische Kultur verstanden“[Anm. 4]
Die Masse der deutschen Einwanderer identifizierte sich mit den beiden großen amerikanischen Parteien. Kleine Gruppen von Achtundvierzigern und späterer Immigranten, die aufgrund von Bismarcks ‚Sozialistengesetz' auswanderten, wurden jedoch von Angloamerikanern mit Argwohn betrachtet, da sie sozialistische Ideen verbreiteten, die als unvereinbar mit den amerikanischen Grundwerten betrachtet wurden.[Anm. 5] Ihren Höhepunkt erreichten amerikanische Vorurteile gegen deutsche politische Aktivisten 1866 in der sogenannten Haymarket-Affäre in Chicago, als deutsche Anarchisten beschuldigt wurden, Polizisten mit Bomben getötet zu haben. Sie wurden – obwohl Beweise fehlten – in einem Schauprozess zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Verfasser: Helmut Schmahl
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper
Anmerkungen:
1. Ich folge, wenn nicht anders angegeben, meiner Darstellung in Verpflanzt, aber nicht entwurzelt, S. 261-272. Zurück
2. Vgl. Monika Blaschke: ‚Deutsch-Amerika' in Bedrängnis: Krise und Verfall einer ‚Bindestrichkultur'. In: Bade, Deutsche im Ausland, S. 172-173. Zurück
3. Vgl. Schmahl, Verpflanzt, S. 210-211. Zurück
4. Blaschke, Deutsch-Amerika, S. 173. Zurück
Blaschke, Deutsch-Amerika, S. 174-175. Zurück
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